Freitag, 18. Mai 2007

bei königs zuhause

Hello World,

zurück in meinem verschlafenen und verregneten Stützpunkt kann ich sagen, dass der gestrige Tag ein voller Erfolg war - ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll... Also, eigentlich fing alles damit an, dass ich nachts UM 4 aufgewacht bin, weil im Flur unter mir eine Party im Gange war und Zigarettenqualm in mein Zimmer zog. Mit Fenster schließen oder ganz weit öffnen war es nicht getan, ich fing sogar schon an, mich zu Kratzen, weil einfach alles stank. Also entschied ich mich nach weiteren 1,5 h des Nicht-Schlafs nach unten zu gehen und wenigstens herauszufinden, wer dafür verantwortlich war und wie es möglich ist, im Zimmer zu rauchen ohne den Feueralarm in Gang zu setzen. Nach zweimaligem Klopfen öffnete mir eine Freundin meines Mitbewohners Michael und behauptete erst mal, sie wären das nicht. Hallo? Sonst war - hörbar - niemand wach. Als ich ihr sagte, dass ich wegen dem Gestank nicht schlafen kann, entschuldigte sie sich aber ganz schnell und versprach, die Party zu beenden. Das wollte ich ja eigentlich gar nicht, was ich ihr auch sagte (die hatten gegen 11 sogar schon die Musik leiser gemacht), doch kurz danach war Ruhe und ich konnte noch bis halb 8 "schlafen".

Dann bin ich mit Debora zum Bahnhof gelaufen, wo wir gegen halb 10 Katharina getroffen haben und anschließend mit dem Zug nach Oslo fuhren. Nebenbei bemerkt: Fahrkarten kann man ohne Zuschlag im Zug kaufen!
In Oslo angekommen trafen wir noch eine Freundin von Katharina, die aus Bergen kommt, seit zwei Jahren der Liebe wegen (zu ihrem Freund, nicht der Stadt) in Oslo wohnt und arbeitet und die Stadtführerin für uns spielen wollte. Wie es der Zufall so will geht sie im Herbst für ein Jahr nach Deutschland, weshalb ich ihr gleich mal meine E-Mail-Adresse gegeben habe ;-)

Zuerst sind wir zur Festung Akershus gelaufen, wo wir hören konnten, wie Kanonenschüsse abgefeuert wurden. Außerdem hat man von dort aus einen tollen Blick auf den Hafen und das im wahrsten Sinne des Wortes bunte Treiben in der Innenstadt. Debora und ich kamen uns etwas under-dressed vor. Die Norweger hatten sich richtig herausgeputzt. Die meisten Männer hatten ihre Sonntagsanzüge an, viele Frauen trugen traditionelle Kleider und selbst Hunde und Kinderwagen waren mit Fähnchen und Schleifchen in blau-rot-weiß ausgestattet. Dass die ganze Stadt in einem Meer aus Flaggen und Fahnen verschwand brauche ich ja wohl nicht zu erwähnen?! Unser Tagesziel hieß dementsprechend auch für uns ein Fähnchen zu organisieren - natürlich ohne dafür zu bestellen - was sich als ausgesprochen schwierig herausstellte. Wer von den Norwegern eins hat, lässt das weder aus den Augen noch aus den Händen, nicht mal die Kinder. Katharina erklärte uns, dass das daran liegt, dass die von klein auf darauf getrimmt werden, dass die Flagge das Allerheiligste ist und keinesfalls den Boden berühren sollte...

Als nächstes hatte sich Debora gewünscht, den König zu sehen, der von 9-12 auf seinem Balkon steht und den vorbeiziehenden Teilnehmern der Parade zuwinkt. Ich habe ehrlich gesagt nicht geglaubt, dass wir das schaffen. Es waren nämlich wirklich viele, wenn nicht alle, Osloer auf den Beinen und eine reguläre Fortbewegung war nicht möglich. Trotzdem hatte ich damit gerechnet, dass es noch mehr wären und wir nur im Schritttempo vorankommen würden. Aber weit gefehlt. Selbst wenn verhältnismäßig viele Menschen in Oslo unterwegs sind, heißt das noch lange nicht, dass man nicht da hinkommt, wo man will, zwischen den Massen eingeklemmt ist, oder sich im Gedränge verliert. Nichts davon ist eingetroffen. Und auch der Schlossgarten war nicht abgesperrt.

So konnten wir uns dem königlichen Schloss sehr gut nähern und haben König Harald V. nebst Frau, Prinz Haakon und Mette-Marit vom Balkon winken sehen. Das war ein bisschen aufregend, weil ich wie gesagt nicht damit gerechnet hätte und man solche Menschen sonst ja nur aus den bunten Zeitungen kennt.
Danach haben wir uns die Parade ein bisschen angesehen und die beiden norwegischen Mädels haben sich das traditionelle Würstchen im Kartoffelteigmantel gekauft. Genauer gesagt nennt sich das "lefse", sieht aus wie ein kleiner Eierkuchen und besteht aus Kartoffel-, Weizen- und Roggenmehl. Die Norweger schwören da drauf und es gibt eigentlich keine Grillparty ohne das Zeug, das quasi als Brötchenersatz dient. Man kann das als süße Variante auch mit Marmelade zum Kaffee essen. Allerdings hat mich das weder in der einen noch in der anderen Form überzeugt, weil es dann immer noch nach rohen Kartoffeln schmeckt. Für mich als vegetarischen Problemfall musste also etwas anderes her und wir sind schließlich im "Bagel und Juice" gelandet, wo es Bagel, Kaffee und belgische Waffeln für alle gab.

Frisch gestärkt und nachdem ich mich an einer laaaange Schlange vor dem einzigen Klo angestellt hatte, war ich motiviert genug, eines der Fähnchen, die am Eingang des Cafés in der Begrünung steckte mitzunehmen. Und während sich Debora noch lautstark darüber aufregte, dass sie vorher minutenlang mit Katharina darüber verhandelt hatte, wie sie es am Besten anstellen, das Ding unbemerkt mitzunehmen, bin ich ganz schnell "vorgegangen", um nicht doch noch echten Ärger zu kriegen. Das Tagesziel war erreicht!

Ich hatte mir gewünscht, dass wir uns das Konzert einer Brass-Band ansehen, wo wir als nächstes hingestiefelt sind, aber nicht lange waren, weil es zu kalt war / wurde um länger irgendwo rumzustehen. So verabschiedete sich dann auch Katharinas Freundin, die wie viele Andere ja nur ein dünnes Sommerkleidchen anhatte. Wir wollten uns noch den Umzug der Russe ansehen, aber der war dann schon vorbei und wir haben nur "marodierende" und unorganisierte Schülergruppen angetroffen, die lautstark pfeifend durch die Innenstadt gezogen sind. Man musste immer aufpassen, dass es einen nicht erwischt, denn Viele hatte Sprühdosen dabei mit einem merkwürdigen bunten Gummizeug drin, das am Ende des Tages überall klebte. Außerdem ist mir aufgefallen, dass insgesamt sehr wenig Polizisten unterwegs waren. Trotzdem waren alle sehr gesittet und zugleich ausgelassen. Man hat gespürt, dass die Freude aus tiefstem Herzen kam und die Norweger einfach gut drauf waren.

Zum Schluss sind wir zu dritt noch mit der Straßenbahn in den Vigelandspark gefahren, der eine von Norwegens meistbesuchten "Attraktionen" ist. Der Park ist das Lebenswerk des Bildhauers Gustav Vigeland (1896-1943) und wenn man die mehr als 200 Skulpturen in Bronze, Granit und Schmiedeeisen sieht, glaubt man gern, dass das eine Weile gedauert hat. Die Figuren stellen nackte Menschen in allen möglichen Altergsruppen und Situationen dar und sie sind zum Teil überlebensgroß. Eine der bekanntesten ist ein kleiner wütender Junge, aber auch der Springbrunnen, der aus einer Schale besteht, die von mehreren Menschen gehalten wird ist sehr berühmt.

Fazit: ein aufregender und schöner Tag in der großen Stadt und ein einmaliges Erlebnis, am norwegischen Nationalfeiertag in der Hauptstadt zu sein, die dadurch noch mal ein ganz anderes Ambiente hatte...

Keine Kommentare: