Donnerstag, 18. Januar 2007

...und action...

Hallo zusammen,

in der Hoffnung, dass Euch der Wind noch nicht verweht hat oder ein Baum auf den Kopf gefallen ist: ich habe heute rosa Wölkchen gesehen. In echt.
Es sieht so aus als wenn die Tage wieder länger werden - hurra! Das heißt zwar einerseits, dass ich mich auch für mehr Stunden des Tages beschäftigen muss... Andererseits bedeutet es nicht, dass der Tag nach sechs Stunden vorbei ist, weil es dann wieder dunkel wird. Die letzten Tage waren zudem sehr frühlingshaft (im Sinne von sonnig, nicht "warm"), obwohl die Wettervorhersage von Firefox bis gestern Nachmittag steif und fest das Gegenteil behauptete. Dann fing es nämlich ganz wintertypisch wieder an zu schneien. Wenigstens ein Ort auf dieser Welt der nahezu "normal" ist - was das Wetter betrifft. Somit lautet die Parole für's Wochenende: Wintersportaktivitäten.

Maria, eine unserer Patinnen, hat mich dazu eingeladen, morgen mit ihr in eine kleine Hütte vom Roten Kreuz zu fahren, die sich zwischen Gjövik und Lillehammer befindet. Es gibt dort keinen Strom und kein Wasser und je nach dem wie lange wir das ertragen können bleiben wir bis übermorgen Abend oder für zwei Nächte. Sie will mich mit passenden Klamotten ausstatten und mir ein paar Langlauf-Ski ausleihen und dann soll es auf die "Piste" gehen. Eventuell kommen noch ein paar andere Studis mit, wobei ich bezweifle, dass außer mir jemand anderes bereit ist sein behagliches Heim und / oder seine Arbeit an den Master Thesis zu verlassen. Denn es gibt hier sogar Bewohner, die einen Fernseher in ihrem Zimmer haben! Ich zahle zwar ca.3 € Anschlussgebühr an das Studentenwerk kriege dafür aber nichts...
Aber wer baucht schon 'ne Glotze, wenn es Internet bis zum Umfallen gibt? Fragt bloß nicht, wie viele Stunden am Tag ich online bin! Ich lebe quasi im Netz, das Netz wohnt dafür in meinem Zimmer und in jeder Ecke der Uni (siehe Bilder von den Poolräumen bei B.) und fehlt eigentlich nur auf dem Weg dorthin.

...die machen wirklich noch eine Informatikerin aus mir. Ihr erinnert Euch vielleicht, dass ich bis gestern zwei Texte über Programmier-Algorithmen lessen sollte für das electronic-publishing-seminar, das ich als einzige besuche? Das habe ich tatsächlich gemacht und abwechselnd Fachvokabular nachgeschlagen und geflucht... Dann habe ich meinem Lehrer gestanden, dass das nicht so mein Fachgebiet ist und ich mein primäres Ziel darin sehe, Englisch zu "lernen". Da hat er gekichert und gemeint, dass die folgenden Texte auch nicht viel besser sind. Er fragte außerdem, wie viel Zeit ich damit verbracht habe und als ich sagte dass das ca.10 Stunden waren, hat er wieder gekichert. Er empfiehlt seinen Studenten sonst 15 Stunden für dieses Seminar einzuplanen - inkl. eines wöchtenlichen Termins von einer Stunde in der er mich gestern die selbe Frage in fünf verschiedenen Versionen gefragt hat, um sicherzugehen, dass ich den Textinhalt verstanden habe. Ich hatte ja schon letzte Woche das Gefühl, dass das sein Steckenpferd ist und jetzt ich es nur noch verfiziert. Insofern liegt da eine Menge Fleißarbeit vor mir, denn als er erfuhr, dass ich z.Zt. außer seinem Seminar nur "scientific methodology" habe, war das gleich ein Grund, mir noch einen Text mehr ans Herz zu legen, den ich bis nächsten Mi lesen soll. Außerdem soll ich mir ein Thema überlegen über das ich "forschen" will bzw. eine(n) Essay/Report/Hausarbeit schreiben soll. Bis Mai natürlich... Hatte ich mich vor gar nicht allzu langer Zeit darüber beklagt, nichts zu tun zu haben? Vergesst das! Ganz schnell!

Apropos. Gestern habe ich die Putzliste für unseren Flur und alle gemeinschaftlich genutzten Räume verstanden bzw. erklärt bekommen. Jede Raumnummer ist mal dran, da wir nur zu dritt sind entspricht das ungefähr jeder dritten Woche ;-) Nur meine Nummer ist erst für Woche 7 eingeteilt. Angeblich kommt donnerstags immer jemand vom Studentenwerk vorbei um das zu kontrollieren. Wer nicht geputzt hat, muss 300 Kronen Strafe zahlen (durch 8,25 werden Euros daraus) und dann macht es statt dessen eine Putzfrau. Sagten mir zumindest die Anderen. Ich muss diesen Informationen vertrauen, denn die Infos auf der vaskliste sind auf norwegisch. Einer meiner Mitbewohner meinte jedoch, dass eine Putzfrau nur kommt, wenn man Glück hat. Ich glaube, wir hatten Pech. Sondre, der außer schlafen, rauchen und Pizza essen vermutlich nicht viel mehr tut, hat seinen Dienst jedenfalls nicht verrichtet. Und wenn ich nicht zwischenzeitlich mal gesaugt hätte, wäre unser Flur wahrscheinlich mittlerweile eine Kiesgrube. Dass außer mir niemand den Müll runterbringt muss ich ja wohl nicht erwähnen?! Das Thema "WC" lasse ich besser auch außen vor. Wie gesagt: ich befinde mich im Trainingslager.

Vermutlich wäre so was wie ein Erasmus-Vorbereitungsseminar auch wirklich nicht schlecht gewesen. Nicht nur um soft skills zu trainieren sondern auch um etwas über die eigene "Heimat" zu erfahren, ein politisch korrektes Bild vermitteln zu können und sich eine Meinung zu weltbewegende Themen zu bilden. Dazu zwei Beispiele: Ein Tunesier fragte mich heute, ob ich ihm Fotos von der Stadt zeigen könnte, in der ich studiere. "Ähhh. Ich schicke dir mal einen Link". Habt Ihr Euch mal die www.paderborn.de Seite angesehen? Grausam! Vor allem die Seite mit den Sehenswürdigkeiten, die aus drei kleinen Bildchen besteht. Und für das richtige Bilderarchiv braucht man einen extra "Zugang". Paderborn überzeugt in aller Welt!
Des Weiteren habe ich heute versucht zu erklären warum so viele Menschen in Deutschland arbeitslos sind und selbst mit einem abgeschlossenem Studium schwer einen Job finden. Wie hättet Ihr das gemacht? Ich habe mal wieder festgestellt, wie fremd mir Welten sind, in denen die Menschen nicht schwimmen lernen, weil sie nicht nur sprichwörtlich in der Wüste leben und noch nie von Klimawandel und Globalisierung gehört haben, weil sie zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind oder damit für ihre Interessen zu kämpfen. Ich weiß, das klingt hart. Insbesondere, weil sie offensichtlich etwas dagegen unternehmen, indem sie sich im Ausland weiterbilden. Aber insbesondere hier ist es sehr schwer seine Herkunft zu verleugnen. Auf der anderen Seite sind das auch gerade die Menschen, die am fröhlichsten und am herzlichsten sind und betonen, dass wir uns gar nicht so unähnlich sind. Das kriege ich in meinem Kopf einfach nicht zusammen.

Für das "scientific methodology"-Seminar sollten wir uns heute in Gruppen zusammentun um ein gemeinsames research-project in Angriff zu nehmen. Da haben Ondro (Slowenien), Barbora (Tschechien), Hafez (Palästina), Salahee (Palästina) und ich schnell mal schnell eine internationale Delegation gebildet und ich bin gespannt, ob sich das bewährt. Vermutlich aber schon. Denn außer uns gibt es in dem Kurs nur sprachlose Norweger. Der Lehrer, der ürbrigens wie ein Seebär oder echter Nordmann aussieht, sagte, dass unserer Fantasie keine Grenzen gesetzt sind und der Spaß im Vordergrund stehen soll. Ich bin sicher, dass wir den haben werden und freue mich schon auf die Themenfindung ;-)

By the way: die technischen Fehler hören NATÜRLICH auch fast am Ende von Woche 2 nicht auf. Ich wollte mir heute die Folien zur Vorlesung downloaden, wofür es einen extra-Account gibt. Ich konnte mich auch einloggen. Aber meine Kurse wurden nicht angezeigt... So dass ich direkt ins international office gelaufen bin und man mir dort versprach, sich darum zu kümmern. Außerdem bekam ich die Info, dass ein neuer Student aus Frankreich heute in unserem Wohnheim ankommt und wir ihn ja begrüßen könnten. Ich glaube, das haben die Anderen direkt übernommen, denn er ist heute Abend gleich zum Trinken eingeplant. (Nein danke, ich setze gern eine Runde aus und bin froh, wenn ich nur alle drei Tage 40€ für feste Nahrung im Supermarkt lasse statt für einen Abend auszugeben.)

Obwohl ich mir eine Monatskarte für den Bus gekauft habe, bin ich inzwischen dazu übergegangen, mehr zu laufen aus Angst, dass aufgrund des Junkfoods, mangelndem Radfahren und ewigem Sitzen eine Tonne aus mir wird. Für die Sportkurse muss man leider was bezahlen und Volleyball ist beispielsweise donnerstags von 21-22.30 Uhr also mitten in der Nacht. Immerhin habe ich Gesellschaft, denn irgendwer schließt sich immer an und heute Morgen gab es rosa Wölckchen gratis dazu.
Die generelle Lage ist nach wie vor so was wie "ganz ok". Das betrifft das Vollkornbrot genauso wie das Wetter oder meine Stimmung. Ich bin noch nicht so ganz über das L'Auberge-Espagnol-Film-Klischee hinweg und auch nicht vollständig hier angekommen. Aber es könnte schlimmer sein und schließlich habe ich es ja so gewollt?

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