Dienstag, 23. Januar 2007

home, sweet home

Liebe Landratten,

hier gibt es genug Schnee für alle! Ihr müsst Euch nicht mit drei Krümeln und einer einstelligen Minuszahl zufrieden geben. Hier gibt es von allem mehr. Das spüren auch meine Nachbarn, die ich vom Schreibtisch aus prima beobachten kann. Sie sind jeden Tag mehrere Stunden damit beschäftigt den Schnee von ihrer Einfahrt zu schaufeln. Fast neidisch beäugen sie die Räumfahrzeuge, die gestern Vormittag die Straße auf- und abgefahren sind und dabei fast ebensolche Geräusche gemacht haben wie mein Nachbar von obendrüber, wenn er morgens aufsteht. Ja, das Haus lebt! Und da ich die letzten zwei Tage fast ausschließlich in meinem Zimmer saß um die +#32ß04o#+´Texte für morgen zu lesen war ich mittendrin statt nur dabei.

Die frohe Botschaft des Tages ist, dass ich Post bekommen habe :-) Gestern kam ein Brief aus Jena an und heute eine Karte aus Münster. Beides hat nur 2-3 Tage gedauert, wie ich dem Poststempel entnehmen konnte. Päckchen brauchen anscheinend etwas länger - genauer gesagt etwas mehr als eine Woche. Heute ist nämlich das erste aus Paderborn angekommen. Oder hat zumindest seinen Zielort erreicht. Was nicht mein Briefkasten oder mein Zimmer ist. Und das kam so:
Heute Mittag war ich einkaufen und auf den drei Metern zwischen Supermarkt und der Eingangstür habe ich den Briefträger abgefangen, der aus dieser gerade herauskam und den ich nur daran erkannte, dass er eine Postkiste in der Hand hatte. Auf seinem Auto stand (zur Tarnung ?) Europcar. Dann habe ich ihn gefragt, ob er auch "little packages" bringen würde und er meinte, wenn er welche hätte, würde er das tun. Ich bin dann also mit meinen zwei vollen Einkaufstüten und einem Netz Orangen unter'm Arm direkt auf meinen Briefkasten zugesteuert. Und siehe da: ein Benachrichtigungsschein. Hatte ich es mir doch gedacht! So nicht, mein Freund! Also zurück auf LOS.
Dazu muss ich ergänzen, dass die Türen, die durch ein Schloss + Schlüssel oder durch einen Code + Karte gesichert sind, immer mit einem besonderen Mechanismus aufgehen, wenn man wieder raus möchte. Im Waschkeller ist das so was wie ein fester Schlüssel von innen. Man muss also die Klinke drücken und zusätzlich das Dings betätigen, wenn man die Tür bewegen will. Sehr praktisch, wenn man in einer Hand das Waschpulver oder die Wäsche hat... Jedenfalls gibt es für die Eingangstür immerhin einen automatischen Schalter, der sich etwa in Höhe meines Kopfes befindet. Sehr praktisch, wenn man zwei Beutel und ein Netz Orangen unter'm Arm hat... Ich war also schon kurz vor Panik, weil ich dachte, dass ich den Brieffahrer nicht mehr erwische. Doch dann fiel mir ein, dass hier alle die Ruhe weg haben und ich eigentlich noch nie jemanden habe rennen sehen. (Vielleicht doch kein schlechtes Land für mich?) Das Auto stand noch da, die Kiste auf dem Sitz, was fehlte war der Typ. Weit kann er ja nicht sein, dachte ich mir, und habe ungefähr 5 Minuten an seinem Gefährt gewartet - was bei - 10 Grad in Hausschuhen kein Spaß ist! Er kam sodann aus dem REMA 1000 mit einer Schachtel Kippen (was verdienen die bei der Post?) und als ich mit dem Schein wedelte, klärte er mich auf. Das Päckchen war zu groß und ich müsste es im Post-Office abholen. Das wäre ja auch wirklich zu viel verlangt gewesen?! Also beschloss ich einen Ausflug in die Stadt zu machen.

Ich bin mit dem Bus Richtung Centrum gefahren und sah durch den Nebel den See, der leicht sonnenbeschienen war und von glitzernden Tannen umgeben und das war so bizarr und schön, dass es sich dafür schon gelohnt hatte in drei Pullovern und zwei Paar Socken aus dem Haus zu gehen. Um das richtig auszunutzen entschied ich mich auch gleich noch die Stadtbibo aufzusuchen. Hier bekam ich eine weitere Plastikkarte und den Mund nicht zu, weil ich ein Regal mit deutschen Büchern fand und sogar einen aktuellen "Spiegel". Okay, Dürrenmatt, Grass und Böll zählen vielleicht zur "Weltliteratur" aber leichte Kost für lange Winterabende ist das eher nicht. So dass ich gleich weiter zu den CDs und dann direkt zum Videoregal gegangen bin. Ausbeute: Peer Gynt (Weltkultur!), eine CD von einer norwegisch aussehenden Sängerin namens Maria Solheim und drei Filme. Ich habe mich von der norwegischen Beschriftung nicht abschrecken lassen. Stellte aber fest, dass nur der Wallander-Film englische Untertitel hat... Mal sehen, was ich daraus mache? Wahrscheinlich nur einen kurzen Video-Abend!

Anschließend bin ich in Riesenschritten zur Post gelaufen, weil ich es eigentlich nicht mehr abwarten konnte. Bei der Post angekommen eine Nummer gezogen (ehrlich), gewartet - wie in Deutschland auch... - den Passport rausgekramt, die Studentenkarte bereit gehalten und war endlich irgendwann dran. Die nette Frau am Schalter kam nach zwei Minuten mit meinem Abholschein wieder und fing an, mich irgendwas zu fragen. Ich habe ihr auf Norwegisch (!) beigebracht, dass ich nur Englisch kann (haha) und schließlich verstanden, dass ich an der falschen Adresse bin. Sprich: ich musste zu einem anderen Postamt. Warum kam mir das bekannt vor??? Ich bat die gute Frau mir den Weg zu erklären und suchte ganz vorbildlich meinen Stadtplan raus. Sie hat ungefähr drei Minuten gebraucht um mir die Stelle auf dem Plan zu zeigen - was keine Rückschlüsse auf die Größe der Stadt zulässt - und mir dann noch eine Buslinie genannt, die dort hinfährt. Zur Abwechslung hatte ich Glück, denn es war die Linie zurück zum Wohnheim und der Shop in dem sich die Poststation befindet, lag quasi auf dem Weg. So dass ich keine halbe Stunde später das Päckchen endlich in den Händen hielt und sitze nun dank Robin bei Caro-Kaffee und Nimm2s und habe nur pro forma zum ersten Mal in meinem Leben eine Kohlsuppe gekocht.

Erfreulich ist auch, dass ich beim Einkaufen heute die Augen ein bisschen weiter als sonst aufgemacht habe und Soja- sowie Reismilch gefunden habe, in Zukunft also auch meinen morgendlichen Müsliberg guten Gewissens genießen kann. Nur mit Kräutertee sieht es weiterhin schlecht aus. Keine Ahnung woran das liegt. Kann mir aber auch egal sein, denn ich habe jetzt ja Caro! Übrigens habe ich zwischenzeitlich wie versprochen auch die Kartoffeln getestet - eine Sorte namens Mandel - Ähnlichkeiten sind ausgeschlossen und diese halbiert auf's Blech gelegt. Hafez, der aus religiösen Gründen Vegetarier ist, kriegte sich gar nicht mehr ein, weil er das so lecker fand und so glücklich war, dass er sich mal nicht rechtfertigen muss.

Das mit dem Rechtfertigen habe ich in anderer Hinsicht auch (schon) satt. Sobald ich zu irgendwas "nein" sage ist die Fragerei groß ob ich denn zu gar nichts Lust hätte. Dass ich nicht vier Stunden frierend an einem Eisloch stehen will unter der Vorgabe zu angeln ist das eine. Dass ich das nicht bezahlen kann ist das zweite. Wie Ihr vielleicht wisst sehe ich zu Hause nicht so auf's Geld und lasse es mir gern gutgehen. Aber das ist hier einfach nicht möglich und ich kann froh sein, wenn ich was zu essen und ein Dach über dem Kopf habe. Wirklich. Ich hätte nicht gedacht, dass es so schlimm ist und überlege jeden Tag mehr ob ich nicht früher als im Juni zurück komme bzw. kommen muss weil das Geld für länger nicht reicht. Ich habe aber auch Katharina gebeten die Augen nach einem Job offen zu halten weil ich das begonnene Semester trotz Sehnsucht und Leiden und allem ganz gern hier fertig machen will...

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